SPEISESAAL MIT WINTERGARTEN
SALON PARIS
Mindestens ebenso wichtig wie das äußere Erscheinungsbild und die Fassaden der Ringstraßenpaläste war deren Innenausstattung, die oft bis ins kleinste Detail durchgeplant und als Gesamtkunstwerk konzipiert war. In dem von Theophil Hansen für Eduard und Moritz Todesco geplante und ausgestattete Palais blieb nichts dem Zufall überlassen. Die Innenausstattung dieser Palaisräume gehört zu den bedeutendsten Leistungen des Historismus in Wien.
Als anlässlich der Vermählung von Eduards Tochter Fanny mit Henry de Worms am 5. Mai 1864 das soeben fertig gestellte Palais für einen auserwählten Kreis von geladenen Gästen erstmals seine Pforten öffnete, wurde es allgemein bewundert und in der Tagespresse besprochen: „Das Ziel der Kunst, das Zusammenwirken aller drei Schwesternkünste zu einem harmonischen Ganzen, hat in dem glanzvollen Speisesaal der Wiener Farnesina einen neuen Triumph gefeiert“.
Als einziger in Hansens Wiener Zinspalais erhielt der Speisesaal des Palais Todesco eine architektonische Gliederung durch Pilaster. Der Deckenbereich ist reich mit Versatzstuck ausgestattet, der großteils vergoldet ist. Der Speisesalon erfuhr damit eine Auszeichnung, die sonst nur dem eigentlichen Festsaal vorbehalten blieb.
Christian Griepenkerl (1839-1916), der großteils im Palais Todesco für die malerische Ausgestaltung verantwortlich war, unterrichtete an der Wiener Akademie der bildenden Künste neben seiner malerischen Tätigkeit, unter anderem Egon Schiele. Griepenkerl war auch für die Ablehnung Adolf Hitlers an der Akademie verantwortlich. Das künstlerische Schaffen … mehr von Griepenkerl ist eng mit dem Atelierbetrieb von Carl Rahl verknüpft. Ihm fiel die Aufgabe zu, die von Eduard Bitterlich fein säuberlich gezeichneten Kartons, die im Fall des Paris Zyklus noch großteils erhalten sind, in die Malerei zu übertragen.
Zum Deckengemälde Urteil des Paris: (klicken Sie hier für Detailfotos)
Kassettenplafonds sind im historistischen Wohnbau der Stadterweiterung die Regel. Das relevante Gestaltungsschema der Decke besteht in einer Kombination eines zentralen Ovalfeldes mit längsrechteckigen Bildern in den Hauptachsen, wobei Tondi in den Ecken das gesamte Formenarrangement zu einer großen umfassenden Rechteckfigur ergänzen. Das längsovale Mittelgemälde, ausgeführt von Christian Griepenkerl, zeigt als Hauptszene das Urteil des Paris, flankiert von den Personifikationen Nemesis, die Göttin des gerechten Zorns oder auch der ausgleichenden Gerechtigkeit, Fortuna, die Glücks- und Schicksalsgöttin, Elpis, die Personifikation der Hoffnung und eine der Moiren, die Schicksalsgöttinnen der griechischen Mythologie. Die Frauen sind auf Wolken sitzend dargestellt, durch ihre Attribute ausgezeichnet: Fortuna zeigt sich mit Füllhorn und Steuerruder, die Hoffnung stützt sich auf einen Anker, das Schicksal wird schreibend dargestellt mit einem Fuß auf dem Schicksalsrad stehend und Nemesis ist als geflügelte Frau mit einer Peitsche in der Hand, begleitet von einem Greif zu identifizieren. Paris erscheint links im Bild, flankiert von Merkur und Amor. Als Richter sitzt er vor den drei Göttinnen, die sich vor ihm präsentieren: links Aphrodite, in der Mitte Athene und rechts Hera. Das Gemälde zeigt jenen Moment, in dem der trojanische Königssohn Paris, geködert mit dem Versprechen, die schönste Frau der Welt zu besitzen, Aphrodite den Apfel überreicht. In den großen querrechteckigen Feldern sind Ilion und Eris, die Göttinnen der Zwietracht und des Streits dargestellt. Ilion, die Personifikation der Stadt Troja, wird als trauernde Frau gezeigt, die ruhend ihr Zepter auf den Schoss gelegt hat. Die gegenüberliegende Göttin Eris ist als geflügelte Gestalt mit Schlangenkranz und Fackel ausgezeichnet. In ihrer linken Hand hält sie den goldenen Apfel, den sie unter die Götter brachte und somit den Streit entfachte. In den ovalen Feldern, in Grisaille ausgearbeitet, sind Eros und Nike dargestellt.
Es ist kaum bemerkbar, dass die Ausführung von fünf der insgesamt neun Deckenbilder Karl Lotz besorgte. Die beiden Künstler Griepenkerl und Lotz hielten sich sehr nahe an die Kartons von Rahl und zudem wurde durch die akademische Malweise ein individueller Duktus vermieden, denn Rahl forderte eben einen Einheitsstil.
Der Speisesaal öffnet sich in einen hofseitig vorgebauten verglasten Erker, dessen Marmorbrunnen in der Mitte die Vermutung nahelegt, es habe sich um einen Wintergarten gehandelt. Als eine exemplarische Übernahme aus dem Adelspalast erweist sich der Wintergarten, der, ebenso wie der Naturgarten im Barock, Dokumentation der erreichten Herrschaft des Menschen über die Natur ist. Der barocke Wintergarten wird jetzt zum minimierten Gartensurrogat für die begüterte Schicht an der Ringstraße. Die barocken künstlichen Gärten mit Grotten und Wasserspielen reduzieren sich im Palais des 19. Jahrhunderts auf die Größe eines Vorzimmers oder Erkers mit Tischspringbrunnen.
UNTERNEHMER UND
PRIVATBANKIER
EDUARD TODESCO
DDer Auftraggeber des Palais, Eduard Todesco (1814-1887), einer ungarisch-jüdischen Familie entstammend, war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einer der einflussreichsten Unternehmer und Privatbankiers der Habsburger Monarchie. Nach der Revolution von 1848 hatte er durch großzügige Zeichnung von Staatsanleihen sowie reiche humanitäre Stiftungen die Anerkennung staatlicher Stellen erworben und war deshalb 1861 in den Ritterstand, 1869 zum Freiherrn erhoben worden.
Er war ein Repräsentant des Finanzadels, der sogenannten zweiten Gesellschaft, die sich in einem ambivalenten Verhältnis zum Hochadel befand und die ab dem 18., mehr noch ab dem 19. Jahrhundert die Elite des aufstrebenden, liberalen und vor allem kaisertreuen Bürgertums bildete. Gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Moritz (1816-1873) hatte Eduard Todesco nach dem Tod seines Vaters Hermann ein umfangreiches Erbe angetreten und leitete das Bankhaus „Hermann Todesco’s Söhne“. Das Ehepaar Eduard und Sophie hatte drei Töchter, Franziska/Fanny, Anna/Netti, Gabriele/Yella sowie einen Sohn Hermann, der bereits mit 27 Jahren an den Folgen eines Kutschenunfalls verstarb.
Mythologie
DAS URTEIL DES PARIS

Architekt
THEOPHIL HANSEN
Der Architekt Theophil Hansen (1813-1891) zählt zu den bedeutendsten Künstlern, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Österreich tätig war. Hansen wurde am 13. Juli 1813 in Kopenhagen geboren und besuchte dort die Kunstakademie. Er war mit dem bedeutenden dänischen Klassizismus vertraut, in dessen Architektur ihn unter anderem sein Bruder und Lehrer Hans Christian Hansen einführte. Als dieser nach Griechenland gegangen war, folgte ihm Theophil 1838 nach. Sein Weg führte ihn dabei über Berlin, wo er der Begegnung mit den Werken Karl Friedrich Schinkels einen tiefergreifenden Eindruck verdankte, und über Oberitalien, wo er besonders in Venedig die Bauten Andrea Palladios studieren konnte. In riechenland setzte sich Hansen mit der Baukunst der griechischen Antike auseinander. Die mittelalterliche byzantinische Architektur hatte aber auch eine außerordentliche Wirkung ausgeübt, von der besonders sein romantisch geprägter Wiener Frühstil abhängig erscheint. Im Jahre 1846 wurde er von Christian Ludwig Förster nach Wien geholt. Die Arbeitsgemeinschaft zwischen den beiden Architekten wurde durch die Vermählung Hansens mit Försters Tochter intensiviert, ging jedoch nach deren Tod bald wieder in die Brüche. Hansen zählt zu den wesentlichen Mitgestaltern der Wiener Ringstraßenzone. Die Evangelische Schule (Karlsplatz), das Gebäude des Wiener Musikvereins und das Palais für Erzherzog Wilhelm (Parkring, OPEC Gebäude) sind die wichtigsten Bauten der sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts, deren Stil Hansen selbst als „griechische Renaissance“ bezeichnete und die eine hohe Kultur der Innenausstattung aufweisen.
TODESCOS ARBEITSZIMMER
BLAUER SALON
Gegen Norden schließt an den Festsaal das Arbeitszimmer des Hausherrn an. Die Transformation von Grundideen der barocken Deckenmalerei in das 19. Jahrhundert wird in diesem Raum anschaulich. Während früher eine Einzelfigur die absolutistische Decke bestimmte, bildet bei Hansen die Summe der Einzelbilder die Aussage. Die in ein Sternbündel gegliederte Kassettendecke nimmt in den Diagonalen des Plafondspiegels drei weibliche und eine männliche Figur als Personifikationen auf: die Allegorie für die Eisenbahn hält ein Zahnrad, das Flügelrad steht für die Industrie und die Schifffahrt hat als Attribut ein Ruder. Der geflügelte Hut, der Heroldsstab Caduceus, um den sich zwei Schlangen winden, und ein Geldbeutel weisen deutlich auf Merkur hin, den Gott des Handels, beziehungsweise die Allegorie des Handels. Zwischen den Allegorien sind die vier Jahreszeiten, ebenso vor blauem Grund, dargestellt. Der Frühling wird durch jenen Engel repräsentiert, der einen Kranz Blüten über seinen Kopf hält. Der Engel mit der Sichel in der Hand und dem Bündel Getreide über die Schulter gelegt soll den Sommer charakterisieren. Der Engel mit Thyrsosstab und dem Korb mit Weintrauben auf dem Kopf stellt den Herbst dar. Der Winter ist ausgezeichnet durch einen Engel, der Pfeil und Bogen in seiner linken und einen Vogel in seiner rechten Hand hält, den er wohl erlegt hat. Die Gemälde wurden von dem Rahl Schüler Karl Lotz ausgeführt.
In einer Ecke schmückt ein Kamin den Raum. Auf ihm ist ein bekröntes Monogramm mit einem „T“ zu sehen, natürlich eine Anspielung auf die Bewohner Todesco. Zusätzlich ist in dem Monogramm ein „S“ auszumachen. Da der Kamin ursprünglich im Boudoir Aufstellung gefunden hatte, weist dieser Buchstabe auf den Vornamen der Hausherrin, nämlich Sophie, hin.
SALON PARIS
WINTERGARTEN
Der Speisesaal öffnet sich in einen hofseitig vorgebauten verglasten Erker, dessen Marmorbrunnen in der Mitte die Vermutung nahelegt, es habe sich um einen Wintergarten gehandelt. Als eine exemplarische Übernahme aus dem Adelspalast erweist sich der Wintergarten, der, ebenso wie der Naturgarten im Barock, Dokumentation der erreichten Herrschaft des Menschen über die Natur ist. Der barocke Wintergarten wird jetzt zum minimierten Gartensurrogat für die begüterte Schicht an der Ringstraße. Die barocken künstlichen Gärten mit Grotten und Wasserspielen reduzieren sich im Palais des 19. Jahrhunderts auf die Größe eines Vorzimmers oder Erkers mit Tischspringbrunnen.