Vorzimmer
BLACK ROOM
Bei dem Palais Todesco handelt es sich um einen Bau des Architekten Christian Ludwig Förster an einem überaus prominenten Bauplatz gegenüber der damaligen Hofoper, der heutigen Wiener Staatsoper. Das Palais Todesco war eines der ersten Palais, das im Historismus in den Jahren 1861-1864 an der Wiener Ringstraße entstanden ist. Der Begriff Historismus bezeichnet einen Baustil, der vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts weiteste Verbreitung fand.
Das Palais setzte neue Maßstäbe in der Innendekoration, für die der dänische Architekt Theophil Hansen verantwortlich war. Die öffentlichen Räume der Wohnung Eduard von Todescos wurden mit größter Sorgfalt ausgestaltet und galten als die schönsten Interieurs ihrer Zeit. Carl Rahl wurde für die Gestaltung der Deckengemälde beauftragt, die schließlich von seinen besten Schülern Christian Griepenkerl und Karl Lotz ausgeführt wurden. … mehr
Die weitläufige Beletage-Wohnung wurde für ein reges öffentliches Gesellschaftsleben konzipiert, das Sophie Todesco leitete. Für Soireen und Veranstaltungen gab es einen Tanzsaal, der mit dem Speisesaal mit einem angrenzenden Wintergarten verbunden war. Empfangssalon und Boudoir sowie Arbeits- und Billardzimmer schlossen sich zu beiden Seiten des Festsaales an. Für alle diese Räume entwickelte Hansen den Funktionen und primären Benutzern – Eduard und Sophie – gemäß individuelle Plafonds, die meisten mit Deckenmalereien. Allein die Zahl der Repräsentationsräume und ihre abwechslungsreiche Deckengestaltung verdeutlichen den eklatant hohen Anspruch der Todescos. Anlässlich der Vermählung von Tochter Fanny mit Henry de Worms wurde diese Wohnung im Mai 1864 „eröffnet“.
1945 erlitt das Palais Todesco einen schweren Bombentreffer im hinteren Bereich des Gebäudes. Zum Glück blieb der Großteil der Wohnung Todescos unversehrt. Das Gebäude wurde bis 1947 wieder Instand gesetzt. Von diesem Jahr an bis 1993 hatte die österreichische Volkspartei ihre Zentrale dort untergebracht. 1976 wurde das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt und umfangreichen Restaurierungsarbeiten unterzogen. Das Palais ist heute im Besitz der Uniqa Versicherung. Das Traditionsunternehmen Gerstner, eine ehemalige k. u. k. Hof-zuckerbäckerei, hat das prächtige Palais 2008 angemietet und bewirtschaftet nun vier Stockwerke. Die Räumlichkeiten der Beletage stehen als sogenannte „Salons Privés“ für private Veranstaltungen zur Verfügung.
Das Vorzimmer:
Von der Prunkstiege, die mit Monogrammen von den Hausherrn Eduard und Moritz Todesco geschmückt sind, kommend, gelang man zunächst in ein Vorzimmer. Diesem ersten Raum der Beletagewohnung kam insofern eine besondere Bedeutung zu, als er ja – bedingt durch die strenge Trennung der Wohnung in einen Gesellschafts-, Wohn- und Ökonomiebereich – eine jeder dieser Sphären entsprechende Funktion zu erfüllen hatte: er musste Vorraum zur Enfilade der Festräume sein, das direkte Betreten der Wohnräume ermöglichen, und die Separierung der Dienerschaft von der Herrschaft garantieren.
Von diesem Vorzimmer aus wurden die Gäste in den Empfangssalon, den heutigen Salon Strauss, gebeten.
UNTERNEHMER UND
PRIVATBANKIER
EDUARD TODESCO
DDer Auftraggeber des Palais, Eduard Todesco (1814-1887), einer ungarisch-jüdischen Familie entstammend, war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einer der einflussreichsten Unternehmer und Privatbankiers der Habsburger Monarchie. Nach der Revolution von 1848 hatte er durch großzügige Zeichnung von Staatsanleihen sowie reiche humanitäre Stiftungen die Anerkennung staatlicher Stellen erworben und war deshalb 1861 in den Ritterstand, 1869 zum Freiherrn erhoben worden.
Er war ein Repräsentant des Finanzadels, der sogenannten zweiten Gesellschaft, die sich in einem ambivalenten Verhältnis zum Hochadel befand und die ab dem 18., mehr noch ab dem 19. Jahrhundert die Elite des aufstrebenden, liberalen und vor allem kaisertreuen Bürgertums bildete. Gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Moritz (1816-1873) hatte Eduard Todesco nach dem Tod seines Vaters Hermann ein umfangreiches Erbe angetreten und leitete das Bankhaus „Hermann Todesco’s Söhne“. Das Ehepaar Eduard und Sophie hatte drei Töchter, Franziska/Fanny, Anna/Netti, Gabriele/Yella sowie einen Sohn Hermann, der bereits mit 27 Jahren an den Folgen eines Kutschenunfalls verstarb.
ARCHITEKT
CHRISTIAN LUDWIG FÖRSTER
Förster, ein außerordentlich interessanter und vielseitiger Mann, der am 8.Oktober 1797 in Bayreuth geboren worden war, lebte seit 1818 in Wien, wo er ein umfangreiches Wirkungsfeld vorgefunden hatte. Vor allem wollte er der Architektur Wiens den Anschluss an die internationale Entwicklung sichern, von der sie sich durch ein konservatives Festhalten an spätklassizistischen Lösungen abzusondern drohte. Zu diesem Zwecke gründete er 1835 die Allgemeine Bauzeitung, die zum Wegbereiter der historistischen Architektur wurde. Nicht minder wichtig waren Försters Entwürfe für die Wiener Stadterweiterung, welche eine entscheidende Vorarbeit zu der seit 1857 erfolgten Niederlegung der Wiener Stadtmauern und der hier einsetzenden Glacisverbauung lieferten. Förster zählte zu den wichtigsten Vordenkern der Stadterweiterung. Bei dem damals ausgeschriebenen Wettbewerb zur Gestaltung der Ringstraßenzone wurde Försters Vorschlag auch ausgezeichnet. Sein Beitrag trug das bezeichnende Motto Der gerade Weg ist der beste. Er präsentierte sein Projekt besonders anschaulich durch fünf Visualisierungen der neuen Stadt, die als farbige Aquarelle besonders realitätsnah wirken sollten. Eine Ansicht zeigt die Achse entlang des Opernhauses, an deren Stelle sie tatsächlich errichtet wurde, in die Kärntner Straße bis zum Stephansdom. Förster drehte die Hauptfassade des Musiktempels zur verlängerten Kärntner Straße hin und gab ihr einen breiten Vorplatz, der mit Brunnen und Standbildern geschmückt war. Die Fassade zur Ringstraße hin war sichtlich als Seitenfassade der Oper ausformuliert. Man kann durchaus daraus erahnen, wie teuer und begehrt der Bauplatz gegenüber diesem öffentlichen Gebäude gewesen sein musste – nämlich jene Bauparzelle, die Förster für die Errichtung des Palais Todesco in Betracht gezogen hatte. Noch ehe das Revolutionsjahr 1848 auch im österreichischen Baubetrieb grundsätzlich Änderungen hervorrief, war Förster bestrebt, junge, fähige Künstler nach Wien zu holen, um einem dekorationsfreudigen, historisierenden Bauen zum Durchbruch zu verhelfen. Hansen war zweifellos die bedeutendste Künstlerpersönlichkeit, die Förster für Wien gewann.
Für die Brüder Eduard und Moritz Todesco plante Förster ein Palais mit fünf Geschossen sowie zwei Kellergeschossen, die außergewöhnlich für ein Palais sind und eventuell darauf zurückzuführen sind, das sich der Baugrund auf dem frisch aufgeschütteten Basteigraben befand. Da Förster durch seinen Tod im Jahr 1863 die Arbeiten am Palais nicht vollenden konnte, wurden sie von seinem Sohn Emil und seinem Schwiegersohn Theophil Hansen, der vor allem für die einheitliche Innenausstattung verantwortlich zeichnete, bis 1865 fertig gestellt.

Architekt
THEOPHIL HANSEN
Der Architekt Theophil Hansen (1813-1891) zählt zu den bedeutendsten Künstlern, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Österreich tätig war. Hansen wurde am 13. Juli 1813 in Kopenhagen geboren und besuchte dort die Kunstakademie. Er war mit dem bedeutenden dänischen Klassizismus vertraut, in dessen Architektur ihn unter anderem sein Bruder und Lehrer Hans Christian Hansen einführte. Als dieser nach Griechenland gegangen war, folgte ihm Theophil 1838 nach. Sein Weg führte ihn dabei über Berlin, wo er der Begegnung mit den Werken Karl Friedrich Schinkels einen tiefergreifenden Eindruck verdankte, und über Oberitalien, wo er besonders in Venedig die Bauten Andrea Palladios studieren konnte. In riechenland setzte sich Hansen mit der Baukunst der griechischen Antike auseinander. Die mittelalterliche byzantinische Architektur hatte aber auch eine außerordentliche Wirkung ausgeübt, von der besonders sein romantisch geprägter Wiener Frühstil abhängig erscheint. Im Jahre 1846 wurde er von Christian Ludwig Förster nach Wien geholt. Die Arbeitsgemeinschaft zwischen den beiden Architekten wurde durch die Vermählung Hansens mit Försters Tochter intensiviert, ging jedoch nach deren Tod bald wieder in die Brüche. Hansen zählt zu den wesentlichen Mitgestaltern der Wiener Ringstraßenzone. Die Evangelische Schule (Karlsplatz), das Gebäude des Wiener Musikvereins und das Palais für Erzherzog Wilhelm (Parkring, OPEC Gebäude) sind die wichtigsten Bauten der sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts, deren Stil Hansen selbst als „griechische Renaissance“ bezeichnete und die eine hohe Kultur der Innenausstattung aufweisen.
TODESCOS ARBEITSZIMMER
BLAUER SALON
Gegen Norden schließt an den Festsaal das Arbeitszimmer des Hausherrn an. Die Transformation von Grundideen der barocken Deckenmalerei in das 19. Jahrhundert wird in diesem Raum anschaulich. Während früher eine Einzelfigur die absolutistische Decke bestimmte, bildet bei Hansen die Summe der Einzelbilder die Aussage. Die in ein Sternbündel gegliederte Kassettendecke nimmt in den Diagonalen des Plafondspiegels drei weibliche und eine männliche Figur als Personifikationen auf: die Allegorie für die Eisenbahn hält ein Zahnrad, das Flügelrad steht für die Industrie und die Schifffahrt hat als Attribut ein Ruder. Der geflügelte Hut, der Heroldsstab Caduceus, um den sich zwei Schlangen winden, und ein Geldbeutel weisen deutlich auf Merkur hin, den Gott des Handels, beziehungsweise die Allegorie des Handels. Zwischen den Allegorien sind die vier Jahreszeiten, ebenso vor blauem Grund, dargestellt. Der Frühling wird durch jenen Engel repräsentiert, der einen Kranz Blüten über seinen Kopf hält. Der Engel mit der Sichel in der Hand und dem Bündel Getreide über die Schulter gelegt soll den Sommer charakterisieren. Der Engel mit Thyrsosstab und dem Korb mit Weintrauben auf dem Kopf stellt den Herbst dar. Der Winter ist ausgezeichnet durch einen Engel, der Pfeil und Bogen in seiner linken und einen Vogel in seiner rechten Hand hält, den er wohl erlegt hat. Die Gemälde wurden von dem Rahl Schüler Karl Lotz ausgeführt.
In einer Ecke schmückt ein Kamin den Raum. Auf ihm ist ein bekröntes Monogramm mit einem „T“ zu sehen, natürlich eine Anspielung auf die Bewohner Todesco. Zusätzlich ist in dem Monogramm ein „S“ auszumachen. Da der Kamin ursprünglich im Boudoir Aufstellung gefunden hatte, weist dieser Buchstabe auf den Vornamen der Hausherrin, nämlich Sophie, hin.